26.08.2024

Betriebliches Eingliederungsmanagement: Zu was sind Arbeitgeber verpflichtet?

Übersteigt die Summe der krankheitsbedingten Fehltage einer angestellten Person eine bestimmte Schwelle, sind Arbeit gebende Betriebe zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement verpflichtet. Doch was verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung? Wann muss ein BEM-Verfahren durchgeführt werden und welche BEM-Maßnahmen gibt es? Dieser Beitrag erklärt alles Wichtige.

Was ist betriebliches Eingliederungsmanagement?

Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist ein Verfahren aus dem Personalwesen. Die gesetzliche Grundlage bildet § 167 Abs. 2 SGB IX.

Ziel eines BEM-Verfahrens ist es, kranke Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder in das Unternehmen einzugliedern, deren Fehlzeiten zu reduzieren und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen.

Wann muss eine betriebliche Wiedereingliederung durchgeführt werden?

Gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX muss eine BEM-Wiedereingliederung erfolgen, sofern eine angestellte Person innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen am Stück oder wiederholt arbeitsunfähig war.

„Wiederholt“ bedeutet, dass ein BEM-Verfahren auch dann angestrebt werden muss, wenn die Dauer der Arbeitsunfähigkeit einer angestellten Person innerhalb eines Jahres in Summe 42 Kalendertage bzw. 30 Werktage (also 6 Wochen) beträgt. Unabhängig davon, ob die Arbeitsunfähigkeit zwischenzeitlich unterbrochen wurde.

Ein Beispiel: Arbeitnehmerin A ist im Dezember 2023 drei Wochen arbeitsunfähig, im Januar 2024 nochmals drei Wochen und Ende März 2024 erneut eine Woche. Folglich ist A innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen arbeitsunfähig – und hat Anspruch auf ein Eingliederungsmanagement.

Ist ein betriebliches Eingliederungsmanagement Pflicht für Betriebe?

Grundsätzlich sind alle Arbeit gebenden Betriebe verpflichtet, ihren Beschäftigten eine betriebliche Eingliederung anzubieten – unabhängig von der Anzahl der im Unternehmen angestellten Personen.

Im Gegenzug sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jedoch nicht verpflichtet, sich an einem BEM-Verfahren zu beteiligen. Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass eine betriebliche Wiedereingliederung „mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Personen“ durchzuführen ist.

Betriebliches Eingliederungsmanagement: Der richtige Ablauf

Wie genau ein BEM-Verfahren durchzuführen ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Nach dem Gesetz zur betrieblichen Wiedereingliederung müssen Arbeit gebende Betriebe die betroffene, angestellte Person „zuvor“, also vor dem Beginn des BEM-Prozesses auf die Ziele des Verfahrens und die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinweisen.

In der Praxis hat sich folgender Ablauf etabliert:

  • Offizielles Einladungsschreiben des Unternehmens: In diesem werden die Ziele des BEM-Verfahrens sowie die Datenschutz-Maßnahmen erklärt.
  • BEM-Gespräch mit dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin: gemeinsame Erörterung der angestrebten BEM-Maßnahmen und des weiteren Ablaufes
  • Abschluss-Erklärung: In dieser wird festgehalten, ob und welche BEM-Maßnahmen ergriffen werden sollen.

Welche BEM-Maßnahmen gibt es?

Die möglichen BEM-Maßnahmen sind von Fall zu Fall unterschiedlich. Sie orientieren sich stets an den betroffenen Beschäftigten und deren Erkrankung.

Denkbare BEM-Maßnahmen sind beispielsweise:

  • Kurmaßnahmen
  • Tätigkeitswechsel (z.B. durch Umschulung)
  • Veränderungen am Arbeitsplatz (z.B. ergonomische Hilfsmittel, angepasste Beleuchtung)
  • Anpassung der Arbeitszeiten (z.B. schrittweise Rückkehr in die Arbeitsabläufe)

Die stufenweise Wiedereingliederung

In der Praxis wird häufig die sogenannte „stufenweise Wiedereingliederung“ nach § 44 SGB IX genutzt. Dabei erstellt eine Ärztin/ein Arzt gemeinsam mit der erkrankten Teamkraft einen Wiedereingliederungsplan. Dieser gibt an, wie viele Stunden am Tag über welchen Zeitraum die erkrankte Person arbeiten sollte, und zu welchem Zeitpunkt ihre Arbeitsfähigkeit voraussichtlich wieder voll erlangt ist. Die Arbeitsaufnahme wird mit wenigen Stunden pro Tag begonnen und stufenweise bis zur vollen Arbeitszeit gesteigert.

Diese BEM-Maßnahme wird durch regelmäßige ärztliche Untersuchungen begleitet und kann – sofern erforderlich – in ihrem Verlauf angepasst, verlängert oder verkürzt werden.

Wer muss an einem Wiedereingliederungsmanagement beteiligt werden?

Nach dem Gesetz zum betrieblichen Eingliederungsmanagement sind am betrieblichen Eingliederungsmanagement die betroffene, Arbeit nehmende Person sowie der Arbeit gebende Betrieb oder eine von ihm benannte Stellvertretung zu beteiligen.

Stimmt die betroffene Teamkraft zu, ist ebenfalls der Betriebsrat am BEM-Gespräch zu beteiligen. Falls vorhanden und erforderlich, sollte die Betriebsärztin/der Betriebsarzt hinzugezogen werden. Bei schwerbehinderten Menschen ist darüber hinaus die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen.

Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, sind die Rehabilitationsträger nach § 6 SGB IX (Leistungen zur Teilhabe) oder die Integrationsämter (begleitende Hilfen) einzuschalten.

Was passiert, wenn Betriebe kein betriebliches Eingliederungsmangement anbieten können?

Ein trotz vorliegender Voraussetzungen nicht ordnungsgemäßes oder gänzlich ausbleibendes BEM-Verfahren wirkt sich für Arbeit gebende Betriebe in einem Kündigungsschutzverfahren negativ aus. Wurde einer angestellten Person krankheitsbedingt gekündigt, muss dies das letzte Mittel darstellen. Wurde zuvor kein betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten, geht das zuständige Arbeitsgericht in der Regel davon aus, dass die Kündigung vorschnell erfolgte (vgl. LAG Hamburg, Az.: 7 SA 20/17). Schließlich hätte die Wiedereingliederung die Situation für die angestellte Person verbessern können.

In der Folge muss der Arbeit gebende Betrieb nachweisen, dass ein BEM-Prozess keine Verbesserung der Situation gebracht hätte und die Kündigung von vornherein unvermeidbar war. Dies ist in der Praxis oft nur schwer zu erbringen. Die DEURAG Firmen-Rechtsschutzversicherung unterstützt beispielsweise bei der Abwehr einer ungerechtfertigten Kündigungsschutzklage.

In diesem Zusammenhang relevant: Welche Rolle spielt die Sozialauswahl bei einer Kündigung?

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